Technische Entwicklungen im Schlepperbau

In der zweiten Ausstellungshalle bieten Straßenschlepper, Ackerschlepper und Spezialschlepper einen eindrucksvollen Überblick über die Vielseitigkeit des Schleppers und über die Ideen, die von findigen Konstrukteuren zur Lösung spezieller Probleme im Traktorenbau verwirklicht wurden.

Die Veränderungen, mit denen die Firma Lanz ihren erfolgreichen Bulldog den Bedürfnissen der Landwirtschaft und den technischen Entwicklungen im Schlepperbau anpaßte, werden repräsentiert durch fünf Lanz-Bulldogs aus den Jahren 1925 bis 1955. Der Erfolg des HL-Bulldogs, der nur als selbstfahrende Antriebsmaschine konzipiert worden war, veranlaßte die Firma Lanz, sich dem Bau eines ackertauglichen Fahrzeugs zuzuwenden. Zwischen 1923 und 1925 wurde der HP-Ackerbulldog und, ab 1924 , der "Felddank" gebaut. Der HP-Bulldog war mit Knicklenkung und Allradantrieb technisch ausgereift, der "Felddank", ausnahmsweise zweizylindrig, bot mit 38 PS ein beachtliche Leistung. Die Vorteile des Felddank wurden in einem vom Reichsverkehrsministerium und vom Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft ausgeschriebene Wettbewerb für Kleinschlepper mit dem ersten Preis auch anerkannt. Zufrieden waren die Prüfer dennoch nicht; der Wettbewerb war für Kleinkraftschlepper ausgeschrieben und sollte den Bauern eine Orientierung bieten, die einen preiswerten Schlepper anschaffen wollten. Mit dem Felddank war jedoch ein Schlepper ausgezeichnet wurde, der "für einen Kleinschlepper zu teuer und zu stark" war (F. Lachenmaier). Beide Lanz-Schlepper wurden nur selten verkauft und sind auch im Traktorenmuseum nicht zu besichtigen.

Erfolgreicher war der Großbulldog, Typ HR 2, der 1925 auf den Markt kam und als einer der ersten Schlepper in Deutschland auf dem Fließband montiert wurde. Der HR 2 hatte ein Viergang-Schaltgetriebe, allerdings noch ohne Rückwärtsgang und diente, mit Hochmoor-Eisenrädern ausgestattet, zum Wiesenwalzen. Gekühlt wurde der Motor mit einer einfachen Verdampfungskühlung, die es erforderlich machte, daß häufig Wasser nachgefüllt werden mußte.

Schon der Name brachte Ausdruck, daß dieser Nachteil beim 1929 erstmalig gebauten "Kühlerbulldog" behoben worden war. Beim HR 5 Kühlerbulldog war die Verdampfungskühlung durch eine Wasserumlaufkühlung, die sogenannte Thermosyphonkühlung ersetzt worden. Die Vollgummi-Bereifung taugte nur für Straßenfahrten, konnte allerdings im Acker oder bei schlechten Wegverhältnissen mit "Blitzgreifern" aufgerüstet werden. Der Bulldog war bereits mit einer Zapfwelle ausgerüstet, die zum Antrieb eines Mähbinders dienen sollte. Zum Ziehen eines Mähbinders konnte der Bulldog aber nur auf trockenem Boden verwendet werden, auf feuchten und schmierigen Böden war die Beanspruchung durch Bereifung und Mähbinderantrieb zu groß.

Auf die wesentliche Neuerung weist auch der Name des folgenden Bulldogs hin: der Ackerluftbulldog war mit Luftreifen versehen, die wesentliche Vorteile auf Acker und Straße brachten.

Neben den technischen Veränderungen, die im Laufe der Jahre am Bulldog vorgenommen wurden, sind auch die Kontinuitäten interessant. So behielt die Firma Lanz bis zu ihrer Übernahme durch die amerikanische Traktorenfirma John Deere 1956 das Prinzip des Einzylindermotors bei, obwohl zu dieser Zeit alle anderen Schlepperhersteller zu mehrzylindrigen Motoren übergegangen waren. Firmen wie Deutz und Hanomag orientierten sich auch beim Schleppermotorenbau nach den Prinzipien des Automotorenbaus. Um einen ruhigeren Lauf zu erzielen, wurden mehrere Zylinder eingebaut, die platzsparend stehend angeordnet wurden.

Dem liegenden Einzylindermotor des Bulldogs merkte man immer seine Herkunft als Stationärmotor an. Der Bulldog wurde allerdings auch, ungeachtet der Bezeichnung Acker- und Bauernbulldog, überwiegende als fahrbarer Stationärmotor zum Dreschen genutzt. Als Ackerschlepper wurde der Lanz-Bulldog hauptsächlich auf den großen Gutsbetrieben in Ostdeutschland gebraucht. Dort wurde er als Zugmaschine für den Pflug und zur Abfuhr der schweren Erntewagen verwendet.

Der Deutz-Schlepper mit der Typenbezeichnung F2M315 wurde in drei Versionen geliefert: als Ackerschlepper, als Straßenschlepper und als Universalschlepper.

Der Ackerschlepper war, laut Betriebsanleitung des Werkes, "für alle vorkommenden landwirtschaftlichen Arbeiten geeignet: für Tiefpflügen, Saatpflügen, Schälen, Kultivieren, Mähen sowie zum Antrieb von Dreschmaschinen mittels Treibriemen und zum Antrieb von Bindemähern, Grasmähern und Bodenfräsen von der Zapfwelle aus". Der Straßenschlepper war als Zugmaschine für den Straßenverkehr konzipiert, während der Universalschlepper "durch einfaches Auswechseln der Radgarnitur und Anhängervorrichtung" für beide Zwecke gerüstet werden konnte. Der F2M315 wurde, erstmalig bei der Firma KHD, in Blockbauweise ausgeführt, d. h. Motor und Getriebe waren zu einem Block zusammengeschweißt. Gegenüber der Rahmenbauweise hatte die Blockbauweise den Vorzug größerer Stabilität, andererseits war diese Konstruktionsweise aufwendiger und teurer.

Ein beim Schlepperprüffeld Bornim 1934 erstellter Prüfbericht gibt Auskunft darüber, wie sich der Schlepper im praktischen Einsatz bewährte:

"Fiel bisher dem Schlepper ausschließlich die schwere Ackerarbeit des Pflügens zu, so konnte er im Steinfeld zu folgenden Arbeiten verwendet werden: Tiefpflügen, Saatpflügen, Schälen, Walzen , Eggen und Grubbern mit angehängter Schleppe, Düngerstreuen, Striegeln der Saaten vor und nach dem Auflaufen, Mähen mit Zapfwellenbinder, sowie Transporte aller Art zwischen Acker und Hof und Eisenbahn, wobei sich die luftbereiften Ackerwagen sehr bewährt haben. Da zum Dreschen ein Elektromotor vorhanden ist, wurde der Schlepper zum Riemenantrieb nicht benutzt. Sonst hat sich der Schlepper eigentlich den Namen "Mädchen für Alles" verdient. Zu den Transporten wurde er herangezogen, sobald in den Zeiten der Spitzenleistungen des Zuckerrüben- oder Kartoffelverladens diese Arbeiten von Gespannen allein nicht mehr bewältigt werden konnten, auch bei weiten Entfernungen für Erntefuder. Genauso wurden Arbeiten wie Saaten-Striegeln mit hintereinander gehängter Walze und Striegel oder nur mit Striegeln, sonst eine typische leichte Pferdearbeit, von dem Schlepper nur ausgeführt, wenn die Witterungs- oder Vegetationsverhältnisse die beschleunigte Beendigung forderten".

Trotz seiner Vielseitigkeit war der F2M315, der 1933 in Serienproduktion ging, zur damaligen Zeit nur auf mittleren und großen Höfen als Ackerschlepper geeignet. Laut Prüfbericht schwankte die Größe der Betriebe, die, einer Umfrage zufolge, den Deutz-Schlepper verwendeten, zwischen 37 ha (schwerer Lehm) und 440 ha (leichter Boden). In diesen Betrieben waren die Schlepper überwiegend mit Greiferrädern ausgerüstet, teilweise auch mit Luftreifen. Als Straßenschlepper wurde der F2M315 nicht nur für landwirtschaftliche Transportfahrten eingesetzt, sondern auch in Bereichen, die später von Lastwagen oder schweren Automobilen übernommen wurden.

Der mit einer Motorleistung von 50 PS, 3 Zylindern und einem 5-Gang-Getriebe und einem Wetterdach ausgestattete F3M417 war in erster Linie als Straßenschlepper anzusehen. Verkauft wurde er von der Firma Klöckner-Humboldt-Deutz als Universalschlepper, bei Verwendung als Ackerschlepper wurde vom Werk empfohlen, mit mehreren Geräten gleichzeitig zu arbeiten, um die Kraft des Traktors auszunutzen. Als Bereifung für Ackerarbeiten konnte sowohl Ackerluftbereifung (d. h. Niederdruckluftreifen), als auch weiterhin Eisenbereifung gewählt werden. Bei Schleppern mit Eisenreifen konnten nur die ersten drei der insgesamt fünf Vorwärtsgänge genutzt werden, die höheren Gänge waren blockiert. Zur Sonderausstattung des F3M417 gehörte eine Seilwinde. Sie konnte z. B. bei Waldarbeiten und im Steinbruch eingesetzt werden.

Der Hanomag R40, dessen 1939 angelaufene Produktion während des Zweiten Weltkrieges unterbrochen, 1945 aber wieder aufgenommen wurde, war als Ackerschlepper für größere Betriebe zweckmäßig, er wurde auch in der Anfangszeit noch wahlweise mit Eisenrädern geliefert.

In den fünfziger Jahren änderten sich die Größenordnungen für den rentablen Einsatz von Traktoren. Ein Schlepper wie der AF 30 der Firma Güldner Motorenwerke, Aschaffenburg, konnte mit einer Motorleistung von 32 PS schon als durchschnittlicher Ackerschlepper gelten.

Der einzige "Ausländer" in der Sammlung, ein von der Societé Francaise de Materiel Agricole, Vierzon, gebauter Glühkopfschlepper, wird zu den Straßenschleppern gezählt.

Zu den Spezialschleppern gehört der "Zweiwegetraktor" aus dem Ursus-Traktorenwerk, Wiesbaden. Der Ursus C 12 war mit Allradantrieb, sowie vier Vor- und Rückwärtsgängen sehr wendig und besonders günstig bei Arbeiten in schwierigen Gelände, z. B. in Weinbergen.

Der Ursus - und der MTZ-Schlepper stehen in der "Werkstatt" des Museums. Mit Amboß, Blasebalg und weiteren typischen Werkzeugen aus der Schmiedewerkstatt wird hier an ein Landhandwerk erinnert, das vom Siegeszug des Schleppers besonders betroffen war. Die Verwendung von Pferden in der Landwirtschaft ging nach 1950 stark zurück, in seiner traditionellen Funktion als Hufschmied wurde der Schmied immer seltener gebraucht. Zwar bescherte die neue Technik auch neue Aufgaben: die Reparatur von Landmaschinen und die Umrüstung von Gespanngeräten in Schleppergeräte wurde in den fünfziger Jahren meist von Schmieden vorgenommen. In der Folgezeit wurden Schlepper und Geräte jedoch technisch so aufwendig und kompliziert, daß auch der Reparaturbereich neu organisiert werden mußte. Das Schmiedehandwerk wurde entweder aufgegeben oder völlig umstrukturiert und den neuen Bedürfnissen angepaßt.

Im Außenbereich des Museums dient ein besonderes Exponat als Blickfang: einer der riesigen Tiefpflüge, die zur Moorkultivierung eingesetzt wurden, ist hier zu besichtigen.

 

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